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Blackout-Gefahr

In Frankreich wird der Strom knapp

Stefan Brändle
  • & AFP

  • Do, 19. Januar 2017
    Wirtschaft

Energieministerin Royal behauptet, es drohe kein Blackout / Einige Akw abgeschaltet / Die Franzosen heizen häufig elektrisch.

Dampf allein genügt nicht, um Strom zu erzeugen.  | Foto: dpa
Dampf allein genügt nicht, um Strom zu erzeugen. Foto: dpa

PARIS. Die aktuelle Kältewelle verursacht in Frankreich einen kritischen Stromengpass. Wartungsarbeiten in Atomkraftwerken verschärfen die Lage zusätzlich. Die Regierung appelliert derweil an die Bürger, Strom zu sparen.

Frankreichs Energie- und Umweltministerin Ségolène Royal hat derzeit nur Augen für das Thermometer. Sinkt es um ein Grad, schnellt der Stromverbrauch um 2400 Megawatt in die Höhe. Und derzeit liegen die Temperaturen mehrere Grad unter dem jährlichen Durchschnittswert zu dieser Jahreszeit. Die Folge: Das Atomstromland Frankreich ist nicht in der Lage, genug Elektrizität zu produzieren.

Die Kälte herrscht zwar auch anderswo in Europa. Aber in Frankreich hat sie stärkere Auswirkungen auf den Stromverbrauch, denn 39 Prozent der Wohnungen und Häuser werden elektrisch beheizt. Dies wiederum ist eine Folge der französischen Energiepolitik. Seit den siebziger Jahren setzt man dort fast ausschließlich auf Atomenergie. Und die Franzosen glaubten bislang, dass der Strom aus der Steckdose unerschöpflich, auf jeden Fall aber spottbillig sei. Deshalb haben viele Hausbesitzer keine richtige Zentralheizung eingebaut, sondern begnügten sich mit Elektroradiatoren. Und die verschlingen im Winter gewaltige Mengen an Strom. Nach Schätzungen der Umweltagentur Ademe macht das Heizen mit Strom an kalten Abenden bis zu 40 Prozent des Energieverbrauchs in Frankreich aus.

Ein zusätzliches Kältegrad entspricht der Leistung von zwei Atomreaktoren. 58 sind in Frankreich im Betrieb – im Prinzip. Ein halbes Dutzend ist derzeit wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet. Jetzt, wo der Landeskonsum auf über 90 000 Megawatt steigt, fehlen die sechs Meiler, die zusammen auf 6400 Megawatt kommen. Große Pannen drohen zum Beispiel in der Region Normandie, wo die Atomkraftwerke seit Monaten nicht genügend Energie produzieren und mehrere tausend Haushalte ohne Strom sind.

Und aus einer regionalen Panne könnte eine Kettenreaktion entstehen. Der französische Netzbetreiber RTE warnt: "Von Dienstag bis Freitag sind die verfügbaren Margen reduziert." Der Radiosender RTL stellt die provokante Frage: "Droht Frankreich ein Blackout?"  Dies verneinte Ministerin Royal am Mittwoch nach einer Sondersitzung zur Kälte in Paris. Sie versicherte, er werde zu keinen Stromausfällen kommen. Obwohl derzeit sechs Atomreaktoren abgeschaltet seien, würden Windräder und Solarenergie wegen der guten Wetterbedingungen so viel Strom wie acht Atomreaktoren liefern. Zudem wird angesichts der Notlage derzeit aus Deutschland, der Schweiz oder Spanien Strom importiert. Normalerweise produziert Frankreich einen Überschuss an Atomstrom und führt ihn aus.

Royal dankte weiterhin den Bürgern, die dem Aufruf des staatlichen Stromkonzerns EdF zum Energiesparen gefolgt seien. EdF hatte seine Kunden dazu aufgerufen, elektrische Heizungen nicht zu sehr hochzudrehen und das Licht beim Verlassen der Räume auszuschalten.

Schon im Dezember hatte Royal eine Kampagne zum Stromsparen gestartet. "Ich fülle meine Waschmaschine und meinen Geschirrspüler besser", heißt es auf Plakaten. Oder: "Ich ziehe mich wärmer an und senke die Zimmertemperatur um ein oder zwei Grad." Computer sollen über Nacht ganz abgestellt werden, Stromfresser wie Teekessel, Kaffeemaschinen oder Lifte unbenützt bleiben. Die Franzosen sollen das Treppensteigen neu entdecken – und zudem solidarisch handeln: "Ich gebe den Stromalarm weiter und lade mein Umfeld zu den gleichen Umweltgesten ein", wird seit Dezember plakatiert.

Derweil haben mehrere französische Atomkraftwerke angekündigt, wegen der Kältewelle anstehende Wartungsarbeiten aufzuschieben. Das soll "ein Maximum der Produktionskapazität ermöglichen", teilte das Akw in Nogent-sur-Seine östlich von Paris mit. Auch der Reaktor 1 des Atomkraftwerks Civaux im westfranzösischen Département Vienne soll später heruntergefahren werden als geplant. Ab Mittwoch sollte dieser auf Störanfälligkeit überprüft werden. Nun soll er spätestens im März abgeschaltet werden.

Der Netzbetreiber RTE hat zudem einen Notfallplan: Mit zwei Dutzend Industriebetrieben, die wie das Aluminiumwerk in Dünkirchen besonders stromintensiv arbeiten, haben die Behörden Abkommen geschlossen: Droht ein Blackout, können sie binnen Sekunden den Verbrauch herunterfahren. Das würde auf einen Schlag 1500 Megawatt einsparen, doch RTE müsste die betroffenen Unternehmen auch entschädigen.

Im Notfall könnte das Staatsunternehmen auch die Netzspannung um fünf Prozent senken. Das hätte aber nur zur Folge, dass die Herdplatten etwas weniger heiß würden, ließ RTE-Chef François Brottes verlauten.         

In Südbaden "Alles im grünen Bereich"

In Südbaden gibt es keine Anzeichen für eine Knappheit bei Strom oder Erdgas. "Wir haben einen völlig normalen Winter", sagt Roland Weis vom Energieversorger Badenova. Derzeit liege die Durchschnittstemperatur bei drei bis vier Grad unter Null. Badenovas Erdgas-Reserven seien auf ganz andere Dimensionen ausgelegt. "Wir können drei Monate mit Durchschnittstemperaturen von minus 12 Grad überstehen", so Weis.

Auch beim Strom sei kein Problem absehbar. "Wir haben von den Übertragungsnetzbetreibern keine Hinweise, dass es irgendwo Knappheit gibt", sagt Weis. Das bestätigt Anthea Götz vom Elektrizitätswerk Mittelbaden in Lahr.

Alexander Lennemann vom Energiedienst in Laufenburg weist allerdings darauf hin, dass auf Anforderung der Übertragungsnetzbetreiber – sie sind dafür verantwortlich, dass genügend Strom erzeugt wird – die Reservekraftwerke in Betrieb genommen wurden. Auch sei Energiedienst aufgefordert worden, nicht zwingend nötige Wartungsarbeiten am Stromnetz aufzuschieben. Schließlich weist Lennemann darauf hin, dass der Strom an der Börse so teuer ist wie seit fünf Jahren nicht mehr.

Ressort: Wirtschaft

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 19. Januar 2017: PDF-Version herunterladen

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