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Gestrandet im Paradies

  • Di, 09. Dezember 2014
    Literatur & Vorträge

     

Karen Foxlee erzählt in "Das nachtblaue Kleid" eine bildmächtige, bedrohliche Geschichte.

Etwas Gewaltiges und Schlimmes wird passieren, diesen Verdacht streut die 1971 in Queenland geborene Karen Foxlee schon auf der ersten Seite ihres grandiosen Debütromans "Das nachtblaue Kleid": Skizzenhaft umreißt sie eine im Grunde romantische Szenerie mit beachtlichem Bedrohungspotential, die man über dreihundert atemlose Seiten zwar immer wieder aus den Augen verlieren, aber nicht vergessen soll. So eindrücklich, so schillernd ist die Figur der fünfzehnjährigen Rose, die seit dem tragischen Tod der Mutter mit ihrem alkoholkranken Vater und einem Wohnwagen ziellos durch Australien irrt. An einem glühend heißen Abend im Januar geht ihnen an einer Kreuzung mal wieder der Sprit aus und sie landen auf einem Campingplatz namens Paradies an der Pazifikküste. Schicksal?

Für Rose erst einmal nicht, denn ob hier oder woanders, ist ihr schon lange egal. Rose kommt alleine klar. Mager, verschlossen, mit schwarzgefärbten Haaren und Lippen läuft sie in der neuen Schule ein – und wird sofort von einem goldgelockten Sonnenschein namens Pearl umsponnen: Pearl, deren Freundlichkeit und Lebenslust ansteckend ist, die Rose mit ihren Schwärmereien, ihrer Offenherzigkeit und Impulsivität mitreißt in eine unbekannte Welt. Doch wozu Freundschaft und ein schönes Kleid fürs Zuckerrohrfest, wenn man eh nicht dazugehören will und eigentlich schon wieder weg ist?

Pearl lässt nicht locker und so landet Rose schließlich bei der alten Schneiderin Edie in einem verwunschenen Hexenhaus, in dem Pflanzen und Tiere durch alle Öffnungen drängen. Abwehr und Faszination halten sich die Waage und so sitzen die beiden nun jeden Mittwochabend in Edies vollgestopfter Küche, trennen alte Kleider auf, schneiden Muster zu, heften und nähen, während unablässig der Regen rauscht und die kauzige Alte Stich für Stich ihre Familiengeschichte erzählt.

Das nachtblaue Kleid gedeiht – und mit ihm beginnt in Rose eine vorsichtige Hoffnung zu keimen: Ihr Vater hat Arbeit gefunden und zeichnet wieder, sie mag Pearl und Edie, sie ist sogar ein bisschen verliebt. Als sie auf einer ihrer Expeditionen durch den Regenwald wirklich die geheime Hütte entdeckt, die Edie so viel bedeutet, ist Rose schon eine Andere geworden. Doch dann begeht Pearl einen folgenschweren Verrat, die Hütte brennt und nach dem Erntedankfest ist das Mädchen mit dem nachtblauen Kleid verschwunden...

Jedes Kapitel trägt den Namen eines speziellen Stichs, jedes webt Zeitebenen und Perspektiven, Charaktere und Geschichten dichter ineinander: So erzählt Foxlee von den Ermittlungen des Kommissars, streut Verdachtsmomente und Spuren, lässt aber auch tief eintauchen in eine magische Welt unbezähmbarer Natur und großer Gefühle: ein bildmächtiger, hochspannender Stoff für Nächte zum Durchschmökern!
– Karen Foxlee: Das nachtblaue Kleid. Aus dem Englischen von Beatrice Howeg. Beltz & Gelberg, 2014. 333 Seiten, 17,95 Euro. Ab 14.

Ressort: Literatur & Vorträge

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 09. Dezember 2014: PDF-Version herunterladen

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