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Unterm Strich

Redet die Pilotin vor dem Start wirres Zeug, wird es Zeit auszusteigen

Thomas Steiner
  • Do, 16. Februar 2017
    Kolumnen

     

Die Vertrauensfrage im Flugzeug

Der Mensch braucht Vertrauenspersonen. Was für die Familie, den Kindergarten oder das Büro gilt, das gilt auch für fremdgesteuerte Verkehrsmittel. Wenn wir uns da rein setzen, setzen wir unser ganzes Vertrauen in die Busfahrerin oder den Lokführer, dass sie uns sicher ans Ziel bringen. Auch bei Schiffskapitänen und Flugzeugpiloten stellt sich stets die Vertrauensfrage.

Die Passagiere eines Inlandfluges von Austin nach San Francisco waren deshalb vor einigen Tagen ziemlich schockiert, wie US-Medien berichteten, als kurz vor dem Start eine Frau in Baseball-Kappe und verschwitztem T-Shirt auftauchte, zum Bordmikrofon griff und sich als die Pilotin vorstellte. Sie entschuldigte sich für ihr Zuspätkommen und wollte die Passagiere abstimmen lassen, ob sie sofort in Zivil abfliegen oder ob sie lieber noch ihre Uniform anlegen solle. Dann redete sie wirres Zeug über die Präsidentschaftswahl in den USA und beschimpfte sowohl Donald Trump wie auch Hillary Clinton als Lügner – weshalb sie weder für den einen noch die andere gestimmt habe.

Als sie auch noch auf die Scheidung zu sprechen kam, in der sie gerade stecke, machten einige Leute Anstalten, das Flugzeug zu verlassen. Die Pilotin zeigte Verständnis dafür: "Wer Angst hat, soll die Maschine verlassen", sagte sie, "ansonsten sind wir startklar." Woraufhin einige Passagiere in Panik gerieten und weinten. Einer twitterte: "Ich zittere gerade. Ich verlasse gerade den United-Flug 455, weil die Pilotin zeigt, dass sie mental nicht mehr auf der Höhe ist." Die Vorstellung, sich so jemandem anvertrauen zu müssen, war zu viel. Was zeigt, wie tief jenes Gefühl in uns gründet: Es ist offensichtlich so etwas wie ein Urvertrauen, was wir an Bord eines Flugzeugs brauchen.

Die Sache in den USA ging aber noch gut aus. Einige Passagiere hatten die Fluggesellschaft angerufen. Sicherheitsleute führten die Pilotin aus der Maschine, ein Kollege kam und übernahm den Flug. Wie vielen Passagieren dabei aber noch etwas mulmig war, ist nicht bekannt.

Ressort: Kolumnen

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