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Schön bunt und ungesund

Fabienne Hurst
  • Do, 28. Juni 2012
    Neues für Schüler

     

Glibberige Kügelchen in süßem Tee verkaufen sich seit ein paar Monaten blendend: Was steckt hinter dem Phänomen Bubble Tea?.

Zweimal Steak mit Pommes  – für ... Ernährungsexperten heftig kritisiert.  | Foto: dpa
Zweimal Steak mit Pommes – für so viel Brennwert pro Plastikbecher wird der Bubble Tea von Ernährungsexperten heftig kritisiert. Foto: dpa

Freiburg ersäuft in bunten Kugeln. Sechs Bubble-Tea-Läden gibt es in der Innenstadt. In futuristischen Plastikschänken mit dem Charme einer Frauenarztpraxis mischen hippe Verkäufer Glibberkügelchen mit verdünntem Sirup. Auch McDonald’s serviert seit zwei Wochen das taiwanesische Modegetränk. Aber weshalb hat es dieser zuckrige Tee überhaupt zum Hype geschafft?

Die Schlange reicht bis zur Tür. Teenager, viele übergewichtig, drängen sich um die bunt leuchtende Menükarte. "Princess-Bubble-Tea klingt gut", findet ein Mädchen im engen Neon-Top, und wenige Minuten später hält es das Kunstwerk in der Hand: Erdbeermus, Milch, gefrorener Joghurt, Zuckersirup, Schlagsahne, Erdbeer-Gelee-Perlen und pinke Marshmallows. Willkommen im Bubble-Tea-Paradies. Hier, im "Mylicious" im Untergeschoss der Freiburger Schwarzwaldcity, hat vor einem Jahr alles angefangen. Besitzerin Mey Von hat damals das Suppekochen gegen Tee-Blubbern getauscht und damit einen Hype losgetreten, der eigentlich nicht so recht in die deutsche Bio-Hauptstadt passt.

Überzeugt hat wohl vor allem die Hauptattraktion: Im Mylicious kreiert der Bubble-Fan sein Getränk selbst. Er wählt Teesorte, Geschmacksrichtung, Aggregatzustand, Temperatur, Bubble-Konsistenz, deren Geschmack und die Größe des Bechers. Der Bubble Tea war also kreativ, neu, bunt, lustig – und gefiel vor allem einer sehr jungen Zielgruppe zwischen acht und 16 Jahren. Heute, mit fünf Mal mehr Konkurrenz als vor zwölf Monaten, ist bei Mey Von noch immer volles Haus, denn die Kids bringen längst ihre Eltern mit zum Teeschlabbern.

Einer der treuesten Mylicious-Stammkunden ist der Freiburger Trendsetter und Fun-Food-Spezialist Fabian "Cruel" Baur. Er lässt ganz Freiburg via Twitter wissen, wenn es ihn mal wieder nach den bunten Kugeln gelüstet. Als er an diesem Abend ins Mylicious stolziert, fragt Besitzerin Mey Von ihn fast besorgt: "Du warst aber schon lange nicht mehr hier. Hab mich schon gefragt, was los ist."

Cruel lächelt. Er habe die ganzen neuen Bubble-Tea-Läden in Freiburg testen müssen, deshalb. Dann bestellt er zwei Mal Steak mit Pommes im Plastikbecher – das brennwerttechnische Äquivalent eines halben Liters Joghurt-Shake mit Oreo-Keks-Krümeln und Glibber-Schokoperlen. Bis auf 500 Kalorien bringt es ein 0,2-Liter-Becher Bubble Tea im Schnitt, rund ein Drittel des Tages-Energiebedarfs eines Kindes. Die Milchshakes und Frozen-Joghurt-Mixgetränke übersteigen diesen Wert noch um ein Vielfaches. Mey Von weiß, dass ihr Produkt nicht besonders gesund ist. "Wir versuchen aber immerhin, so viele natürliche Produkte zu verwenden wie nur möglich: echten aufgebrühten Tee, richtige Kokosmilch und kein Milchpulver", sagt die Unternehmerin. Dass die bunten Mix-Getränke Lebensmittelskeptiker auf den Plan rufen, befürchten auch die anderen Bubble-Tea-Geschäfte. Das "Kxuio" im Bursengang will diese potentiellen Spielverderber durch schöne Informationen auf den Thekenschildchen beruhigen: Man verwende ausschließlich "natürliche Aromen" und im Joghurt drehten sich jede Menge "gesunde Kulturen".

"Das ist totaler Quatsch", sagt Ernährungsberaterin und Sommelière Silke Nolde. Tatsächlich muss man die gesunden Zutaten im Bubble Tea mit der Lupe suchen. "Da sind sicher ein paar Spurenelemente drin, aber der Zucker und das putschende Teein machen daraus ein ganz gefährliches Getränk." Die Putschwirkung sei nicht zu unterschätzen, warnt Nolde, vor allem was die Volumen angeht. In die größten Portionsbecher passen 0,7 Liter Zucker-Teein-Mix. "Wenn ein 11-Jähriger sich dreimal am Tag einen Latte Macchiato kauft, würden sich die Leute auch wundern."

Auch Krankenkassen

warnen vor dem Getränk

Den Inhalt der Tee-Getränke zu kontrollieren, ist derzeit unmöglich. "Das Problem ist, dass es sich um lose Ware handelt", sagt Sabine Partheymüller von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. "Deshalb müssen die Becher keine Zutatenlisten tragen, in denen angegeben wird, welche Farb-, Aroma- und Konservierungsstoffe genau darin enthalten sind. Auch für die Nährwerte gibt es keine Kennzeichnungspflicht."

Auch die Techniker Krankenkasse warnt mittlerweile vor dem Getränk und schreibt in einer Mitteilung: "Das Teegetränk wird nicht nur mit kalorienreichem Fruchtsirup versetzt, die kaugummiähnlichen Kügelchen sind ebenfalls noch gesüßt." Im Februar hatte bereits der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Deutschlands in Köln die Eltern alarmiert: Kleinkinder könnten sich leicht an den Kügelchen verschlucken, diese gelangen über die Luftröhre in die Lunge und können zu einer Lungenentzündung oder sogar zu einem Lungenkollaps führen. Noch dazu ist der trendige Tee fünfmal so teuer wie Wassereis (ein kleiner Becher kostet zwischen drei und vier Euro) und verbraucht dreimal so viel Plastik (Becher plus Deckel plus Strohhalm plus Serviette).

Die geradezu inflationäre Eröffnungswelle der Bubble-Tea-Läden lässt ihr baldiges Ende bereits erahnen. McDonald’s dürfte das nur noch beschleunigen. Doch Mey Von vom Mylicious bringen die neuen Läden nicht aus der Ruhe: "Ich habe von Anfang an auf Kreativität und Persönlichkeit gesetzt." Mit ihren rund 500 verschiedenen Sorten seien Bubble-Tea-Ketten für sie keine Konkurrenz.

Ressort: Neues für Schüler

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 28. Juni 2012: PDF-Version herunterladen

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