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Wie Mehrnousch aus dem Iran nach Deutschland kam

Anika Maldacker
  • Do, 27. Oktober 2016
    Theater

"33 Bogen und ein Teehaus" beim Jungen Theater in Freiburg.

Stefanie Mrachacz   | Foto: M. Korbel
Stefanie Mrachacz Foto: M. Korbel
Eine Revolution und ihre Konsequenzen, beobachtet aus den Augen eines Kindes. Mehrnousch Zaeri-Esfahani, Jahrgang 1974, ist für ihren Roman "33 Bogen und ein Teehaus" gedanklich in ihre Kindheit zurückgereist. Die fand in den Wirren der islamischen Revolution statt, die damals Zehnjährige erlebte die Flucht über die Türkei und die Ankunft in Deutschland. Für das Junge Theater Freiburg inszenierte ein Team mit Sahar Amini, Anne Kaiser, Stefanie Mrachacz und Daniel Wahl die Geschichte nun im Werkraum als szenische Lesung mit Stefanie Mrachacz. Sie verleiht der jungen Protagonistin Mehrnousch eine Stimme.

Mehrnouschs Geschichte beginnt im Jahr 1979, als der Iran die politische Kehrtwende von der Monarchie zum islamischen Regime erlebte. Mehrnousch versteht nicht, was um sie herum geschieht, aber sie lässt sich von den Emotionen der Erwachsenen mitreißen: Bewunderung, dann Ablehnung des Schahs. Freudiges Warten auf Chomeini. Die Verbote und die damit aufkeimende Angst.

Stefanie Mrachacz zieht das junge Publikum von Beginn an in ihren Bann. Sie stellt die wechselnden Gefühle Mehrnouschs mitreißend dar. Vom Funkeln ihrer Augen, wenn sie erzählt, wie die Revolution zunächst die Familie euphorisiert, bis zur Enttäuschung, als sich ihre erste Freundin in Deutschland von ihr abwendet. Mrachacz reichen dafür zwei Gegenstände. Eine Gewürzdose, die an ihre iranische Großmutter erinnert und eine Kassette – als Symbol für die persische Musik der Heimat.

Dieser Geschichte von Flucht und Ankunft genügt eine Darstellerin – so lebendig, wie Stefanie Mrachacz sie erzählt. Mal mit übersprudelndem Eifer, dann wieder ängstlich, aber nie naiv schildert sie Mehrnouschs Eintauchen in ein neues Leben. Mrachacz mischt sich plötzlich unter die Zuschauer, streichelt einigen von ihnen sogar über das Haar – so plötzlich, wie das Mädchen mit seiner Familie damals in Deutschland erschien. Zugleich erinnert sich Mehrnousch daran, dass dieses Auftauchen nicht allen recht war. Mittendrin und doch nicht dabei: Diese Ambivalenz macht die Regie in diesem Interaktion mit den Zuschauern anschaulich deutlich. Integration fordert alle Beteiligten.

Das beweist Mehrnousch Zaeri-Esfahani auch mit ihrem Roman. Die Autorin begleitete das Thema von Flucht und Ankunft in ihrem ganzen bisherigen Leben. Die Sozialpädagogin arbeitet bis heute in der Flüchtlingsarbeit, hat vor Jahren für das Diakonische Werk Flüchtlinge im Landkreis Lörrach betreut.

"33 Bogen und ein Teehaus"zeigt: Kindern gelingt die Integration oft einfacher als den Erwachsenen. Gut, dass diese Geschichte auch einmal aus der Sicht eines Kindes erzählt wird.

Nächster Termin: 28. Oktober, 19 Uhr, Werkraum, Theater Freiburg.

Ressort: Theater

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 27. Oktober 2016: PDF-Version herunterladen

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