"Frauen wählen weniger radikal"
BZ-INTERVIEW mit Rebecca Beerheide über weibliches Wahlverhalten und fehlende Politikerinnen.
Dass Frauen in Deutschland wählen dürfen, ist eine Selbstverständlichkeit. Das reicht aber nicht, findet die Politikjournalistin Rebecca Beerheide. Warum Politik weiblicher werden muss, erklärt sie im Interview mit Stephanie Streif.
BZ: Frau Beerheide, wie wäre die letzte Bundestagswahl ausgegangen, wenn Frauen nicht hätten mitwählen dürfen?
Beerheide: Statistisch kann ich das nicht beantworten. Aber ohne Frauen wären die rechten Parteien noch stärker im Bundestag vertreten gewesen. Frauen wählen weniger radikal als Männer. Eine Partei wie die AfD hat bei Frauen, besonders bei jungen Frauen, kaum eine Chance. In der Vergangenheit wurde die FDP von Frauen auch nicht oft gewählt. Etwas anders war das 2017, da haben auch mehr jüngere Frauen die FDP gewählt, möglicherweise lag das an der frischen Kampagne.
BZ: Und was haben sie gewählt?
Beerheide: Rund 30 Prozent der Wählerinnen haben die CDU gewählt, bei den Wählern waren es nur 23 Prozent. Man kann also sagen, dass Frauen Angela Merkel den Wahlsieg gesichert haben.
BZ: Was hat diese Frauen zu ihrer Wahl motiviert? Dass Angela Merkel eine Frau ist oder dass sie auf Bewährtes setzen?
Beerheide: Wie auch der Bundeswahlleiter in seiner aktuellen Analyse bestätigt, bevorzugen Frauen seit den 50er Jahren die CDU. Aber auch die Grünen haben einen hohen Frauenanteil in ihrer Wählerschaft. Die SPD hat bei Männern und Frauen ungefähr gleich abgeschnitten, da lag der Wähleranteil bei beiden Geschlechtern bei rund 20 Prozent.
BZ: Wählen Frauen bevorzugt Frauen, wenn diese kandidieren?
Beerheide: Nein, das kann man nicht sagen. Das hängt immer stark mit Sympathiewerten zusammen. Ich habe jüngst auch zwei Landtagswahlen analysiert – die in Rheinland-Pfalz 2016 und die im Saarland 2017. Bei beiden Wahlen traten jeweils zwei Frauen gegeneinander an, in Rheinland-Pfalz die amtierende Ministerpräsidentin Malu Dreyer von der SPD und die CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner, im Saarland Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU gegen Anke Rehlinger von der SPD. Beide Wahlen entschieden die Amtsinhaberinnen für sich. Bei Wählerbefragungen vor dem Urnengang hatten Dreyer und Kramp-Karrenbauer bereits sehr gute Sympathie-Werte. Das Vertrauen und die Sachkompetenz, die eine Amtsinhaberin oder ein Amtsinhaber bei Wählerinnen und Wählern weckt, ist vielmehr entscheidend.
BZ: Im Bundestag und den Länderparlamenten, allen voran das baden-württembergische, sind Frauen unterrepräsentiert. Wie würde sich Politik verändern, wenn Parlamente weiblicher wären?
Beerheide: In die Politik würden mehr Aspekte des Zusammenlebens hineinwirken. Viele Fragen, zum Beispiel soziale Fragen, würden ganz anders diskutiert werden, wie Schulpolitik oder Kinderbetreuung. Was Frauen meiner Meinung noch lernen müssen, ist offensiv Ämter einzufordern und sich nicht mit einem "nächstes Jahr geht ja auch noch" abspeisen zu lassen.
"100 Jahre Frauenwahlrecht". Sie ist in
Freiburg geboren.
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