Raane, räs und Ranzepfiffe
Fremdsprache Alemannisch: Schüler der Hansjakobschule Neustadt lernen mit Max Steurenthaler die Mundart kennen.
TITISEE-NEUSTADT. Englisch, Französisch, Spanisch – all diese Sprachen haben die Dritt- und Viertklässler der Hansjakobschule in Neustadt schon gehört. Aber Alemannisch? Das kommt den Kindern fremd vor. Das will Max Steurenthaler von der Muettersproch-Gsellschaft, Regionalgruppe Hochschwarzwald, ändern. An vier Vormittagen kommt er in die Schule und schwätzt mit den Kindern Dialekt. Und so können sie am Ende dieses anderen Unterrichts folgenden kulinarischen Wunsch äußern: e Ankegiege mit viel Beermues und e Kächili Kaba. Aber nicht zu viel, sonst gibt’s Ranzepfiffe.
Heute funktioniert die Hansjakobschule das Unterrichtsfach Mensch-Natur-Kultur (früher Sachkunde) in der Zeit von Ostern bis Pfingsten zu offenen Lernateliers mit besonderen Angeboten um: Glasmalerei, Reiten und Bücherrallye, Mundhygiene und Mundart. Rund 100 Kinder kommen in den vier mal zwei Stunden in den Genuss des Dialekt-Unterrichts. "Dass Max Steurenthaler sich dafür bereit erklärt hat, freut uns sehr", sagt Rektor Stefan Lotze. Denn kaum Kinder seiner Schuler reden Alemannisch – "und auch der Rektor nicht."
Danach gefragt, ob das Alemannisch nicht nur ein Projekt, sondern Grundschulfach sein sollte, sagt Lotze: "Die Forderung nach einer extra Stunde ist so groß, dass sie unrealistisch ist. Aber: Meiner Ansicht nach sollte die Mundart fester Bestandteil des Sachkundeunterrichts sein." Dort werde über die Region geredet – und warum nicht auch im Dialekt? Es sei die Aufgabe der Grundschulen, das Wissen um die Heimat zu pflegen.
Was Lotze in Sachen Englischlernen festgestellt hat, würde sicher auch beim Alemannischen funktionieren: Statt zwei Stunden die Woche jeden Tag 20 Minuten sprechen – das sei effektiver. "Allerdings haben wir keine Alemannischlehrer – und deshalb bleibt es wohl beim Projekt."
Brokkoli?
Jetzt ziehen die Schüler mit gezücktem Füller vor dem Arbeitsblatt, auf dem in großen Buchstaben "Alemannisch dunkt iis guet" steht. Längst haben sie das übersetzt. Es warten aber noch viele andere Wörter. Brägili zum Beispiel. Anna-Marie lacht verlegen. Gehört, ja gehört hat sie das schon. Doch was bedeutet es nochmal? "Ein Tipp: Es ist was zum Essen. Ihr habt es sicher alle schon mal probiert", gibt Steurenthaler Hilfestellung. Da schnellt eine Hand nach oben und ein Mädchen aus der ersten Reihe ruft laut "Brokkoli". Steurenthaler lacht: "Nein, den kannten die alten Alemannen nicht." Bratkartoffeln lautet die Lösung. Und Anna-Marie erinnert sich: "Die hat es ja erst zum Mittagessen gegeben."
Betrachtet man Steurenthalers Wörterliste, finden sich da viele Begriffe aus dem Bereich Essen. Anke und Ankegiege, die Raane, de Epfelschnitz und’s Schifili. Hinter dem vermuten die Kinder übrigens Chips mit Chili. Chriese kommt als Nächstes. Ist das Grießbrei? Käse? Oder Nudeln? Ein lautes und langgezogenes "Aaaaaa" geht durch die Klasse, als Steurenthaler auflöst: "Das sind Kirschen." Das ulkigste Wort heißt Stierenaugen. "Igittigitt", sagen die Schüler, "so was kann man doch nicht essen." Das machen auch Alemannen nicht, weiß der Gastlehrer. Gemeint sind doch Spiegeleier. Die Schüler lachen herzhaft.
Als Julian ohne Hilfe übersetzt, dass Ranzepfiffe Bauchweh bedeutet, ist Max Steurenthaler aus dem Häuschen. "Ihr werdet noch perfekte Alemannen." Es gongt, die Stunde ist rasend schnell vorbeigegangen, was hoffentlich bleibt, isch d’ Wunderfitz uffs Alemannisch.
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