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Wildtiere

Dieses Jahr 300 angebliche Wolfsichtungen: Freiburger Institut kommt kaum hinterher

Fabian Vögtle
  • Sa, 05. Mai 2018, 15:00 Uhr
    Freiburg

Die forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg ist zu einer zentralen Anlaufstelle geworden, wenn es um den Wolf geht – und sie haben gerade viel zu tun. Doch viele Sichtungen stellen sich als Fehlalarm heraus.

Ein Wolf in einem Schutzgebiet in Griechenland. In freier Wildbahn macht das Raubtier vielen Menschen Angst. Foto: AFP
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Im Freiburger Stadtwald ist bisher noch kein Wolf aufgetaucht. Im Ländle sind jedoch schon mindestens sechs verschiedene Wölfe nachgewiesen, auch im Schwarzwald. Die forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg wird dabei immer mehr zur zentralen Anlaufstelle. Ihre Mitarbeiter untersuchten am Montag die mutmaßlich von einem Wolf gerissenen Schafe in Bad Wildbad und nahmen an den Bissstellen Proben für den Gentest.

Auf dem Schreibtisch liegt noch ein Dutzend durchnummerierter Beutel. "Da sind Speichelproben drin, die wir mit Wattestäbchen im Bereich der Wunden der Schafe entnommen haben", sagt Rudi Suchant. Einige dieser Proben hat der Forstdirektor bei der FVA schon zum Senckenberg-Institut nach Frankfurt am Main geschickt. Das Institut ist das nationale Referenzzentrum für genetische Untersuchungen bei Luchs und Wolf. Eine stichfeste Antwort, ob es sich im aktuellen Fall um einen Wolf handele, wird bis in zwei Wochen vorliegen.

Über 300 Meldungen zu angeblichen Wolfssichtungen

Derweil sind Suchant und seine Mitarbeiter aus dem Arbeitsbereich Wildökologie der FVA mit Präventionsarbeit und Monitoring beschäftigt. "Wir sind diejenigen, die jetzt in vielen Augen für den Wolf stehen. Bei uns legt sich daher auch viel Ärger ab", erzählt Suchant. Alleine in diesem Jahr gab es bereits über 300 Meldungen zu angeblichen Wolfssichtungen, denen sein Team aus sechs Festangestellten und zig Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Projektbasis und mit Kurzzeitverträgen nachgegangen ist. "Wir kommen gar nicht mehr hinterher", klagt Suchant, der seit 30 Jahren bei der FVA arbeitet und sein Büro seit einigen Jahren in einer alten Villa in der Wiehre hat.

Bei jedem Foto, das er zugeschickt bekommt, überprüfe einer seiner Leute die Örtlichkeit. Oft finde man dann heraus, dass es sich etwa um einen Hund handelte. Die Anstalt stellt hin und wieder auch selbst Fotofallen im Wald auf, um verschiedene Wildtiere zu orten. Dabei konnte sie auch Wölfe ablichten, zuletzt im März, wie Suchant auf seinem Monitor zeigt. Das Monitoring sei die wichtigste Aufgabe, mit der sich sein Haus befasse. Wo gibt es Spuren, woher wandern die Wölfe ein – aus Norddeutschland oder aus der Schweiz?

Jeder Landkreis hat einen Wildtierbeauftragten

Im Laufe der Jahre habe man ein Netzwerk entwickelt: In jedem Landkreis gibt es einen Wildtierbeauftragten, der sich bei einem Verdacht an die Freiburger Experten wendet. Dass nun in Teilen der Gesellschaft geradezu eine Wolf-Panik entstehe, könne er verstehen. Die mediale und politische Bedeutung sei extrem gestiegen. Ökologisch könne der Schwarzwald jedoch ein paar Rudel vertragen, sagt Suchant. Das sei nur eine Frage der Zeit. Wenn sich ein Wolf mehr als sechs Monate in einem Gebiet aufhält, gilt er als territorial. Das sei in Kürze der Fall. Was das politisch bedeutet, wird in Stuttgart beraten. Eine Norm für den Umgang mit nicht erwünschten Wölfen brauche es auf jeden Fall, sagt Suchant.
Wölfe in Baden-Württemberg

Seit rund 150 Jahren galten Wölfe in freier Wildbahn als ausgerottet im Südwesten – bis 2015 die Raubtiere zum ersten Mal wieder nachgewiesen wurden. Noch handelt es sich um einzelne Tiere, die den Weg nach Baden-Württemberg gefunden haben.

Die bisher nachgewiesenen Fälle:
  • 2015 werden zwei überfahrene Wölfe gefunden - einer im Ortenaukreis und einer im Alb-Donau-Kreis. In beiden Fällen handelt es sich um Rüden aus einem Schweizer Rudel.
  • Am 15. Mai 2016 filmt eine Privatperson einen Wolf bei Bad Dürrheim (Schwarzwald-Baar-Kreis). Es ist die erste Sichtung eines lebenden Wolfs in Baden-Württemberg seit 150 Jahren.
  • Am 8. Juli 2017 wird ein toter Wolf aus dem Schluchsee geborgen. Zuvor wurde er im Juni und Juli an verschiedenen Orten im Land gesichtet. Untersuchungen ergaben, dass er erschossen wurde. Der Rüde kam aus dem niedersächsischen Schneverdingen in den Südwesten.
  • Am 7. Oktober 2017 reißt ein Wolf drei Lämmer bei Widdern (Kreis Heilbronn). Es ist der erste nachgewiesene Wolfsriss im Land seit mehr als 100 Jahren. Die Herkunft des Tieres bleibt unklar.
  • Drei Schafe werden am 26. November 2017 bei Bad Wildbad (Kreis Calw) gerissen. Auch sie sind Opfer eines Wolfes geworden. Der Rüde stammt ebenfalls aus dem Rudel bei Schneverdingen in Niedersachsen.
  • Dasselbe Tier beißt erneut zu. Ende November reißt der Rüde Rotwild bei Simmersfeld (Kreis Calw), Anfang Dezember Rotwild und Sikawild bei Bad Rippoldsau-Schapbach in der Umgebung von Freudenstadt. Ebenfalls soll ein Rotwildriss am 13. Dezember in Forbach (Kreis Rastatt) auf sein Konto gehen.
  • Am ersten Weihnachtsfeiertag 2017 fotografieren Urlauber in der Nähe von Vöhrenbach (Schwarzwald-Baar-Kreis) einen Wolf.
  • Ein Wolf taucht im Kreis Ludwigsburg auf. Am 13. Januar wird das Tier nahe der Autobahn 81 in Korntal-Münchingen gefilmt. Einen Tag später wird im Nahen Sersheim eine totgebissene Ziege gefunden – die Tat eines Wolfes, wie genetische Untersuchungen bestätigen. Es ist das zweite Tier, das in Baden-Württemberg sicher nachgewiesen werden kann. Er stammt aus der sogenannten italienischen Linie und ist damit nicht identisch mit dem Tier, das im Nordschwarzwald nachgewiesen wurde.
  • Eine Wildtierkamera fotografiert am 17. Februar einen Wolf im Oberen Donautal bei Beuron (Kreis Sigmaringen). Ob es sich dabei um eines der bereits bekannten Tiere handelt, ist unklar.

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Ressort: Freiburg

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 05. Mai 2018: PDF-Version herunterladen

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