Eine Etappe auf einem langen Weg
Nora Frerichmann (epd)
Vor 100 Jahren erkämpften Frauen das Wahlrecht in Deutschland / 41 weibliche Abgeordnete zogen in die Nationalversammlung ein.
Bei der Wahl zur verfassungsgebenden Nationalversammlung der Weimarer Republik im Januar 1919 war die Wahlbeteiligung unter den Frauen mit 82 Prozent dann knapp zwei Prozentpunkte höher als unter den Männern. 41 weibliche Abgeordnete wurden gewählt. Das sei zwar ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung gewesen, sagt Kerstin Wolff, Historikerin und Geschäftsführerin des Archivs der deutschen Frauenbewegung. "Aber es war nur eine Etappe auf einem langen Weg." Die neuen Parlamentarierinnen hätten schnell gemerkt, dass sie nicht ohne weiteres gegen die männlichen Strukturen und Themen ankamen. Frauen wurden lange für ihre politischen Aktivitäten belächelt und explizit auf bestimmte Aufgabenfelder festgelegt: Sozialpolitik und als "Frauenbelange" angesehene Themen wie Familienfragen.
Aber warum mussten Frauen überhaupt so lange kämpfen, um ihre politische Stimme geltend zu machen? Noch im 18. und 19. Jahrhundert (und selbst noch nach dem Zweiten Weltkrieg) galten Frauen nicht als eigenständige Menschen, sondern wurden durch Väter, Brüder oder Ehemänner vor dem Gesetz bevormundet. Es herrschte die Vorstellung, Frauen seien durch "natürliche" Eigenschaften wie Passivität und Emotionalität für private Bereiche – also Mutterrolle und Haushalt – bestimmt. Männern hingegen sprach man aktive und rationale Eigenschaften zu, was sie in den Augen der Gesellschaft für den öffentlichen Raum und somit für die Politik qualifizierte.
Bis 1908 war es Frauen generell verboten, in politischen Parteien aktiv zu sein oder an Versammlungen teilzunehmen. Trotz der Einführung des Wahlrechts 1918 mussten Frauen bis 1977 beispielsweise eine Erlaubnis einholen, um Konten zu eröffnen, erwerbstätig zu werden oder einen Führerschein zu machen. Und noch immer sind Frauen in vielen Bereichen nicht so vertreten wie Männer.
So besteht der aktuelle Bundestag nur zu knapp 31 Prozent aus Frauen. Im Februar 2017 lag der Anteil noch bei 37 Prozent. Aktuell sind rund 58 Prozent der Grünen-Abgeordneten, rund 54 Prozent der Linken-Abgeordneten und knapp 42 Prozent der SPD-Abgeordneten Frauen. Bei der Union haben Politikerinnen knapp 20 Prozent und bei der FDP knapp 24 Prozent der Mandate inne, bei der AfD sind es knapp elf Prozent.
Teil des Problems seien die hauptsächlich männlich besetzten Landeslisten, erklärt Rebecca Beerheide, Mitherausgeberin des Buchs "100 Jahre Frauenwahlrecht – Ziel erreicht! Und weiter?". Aber auch nur ein Viertel der 299 Direktmandate entfiel auf Frauen.
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